Mein Wunschhund

Aus aktuellem Anlass habe ich mir darüber einige Gedanken gemacht. Ich bin Züchterin, man kann sagen, aus Leidenschaft. Ich liebe es mit meinen Mädels die Trächtigkeit zu durchstehen, gemeinsam die kleinen Welpen zur Welt zu bringen und dafür zu sorgen, dass es keinem an etwas fehlt.
Dazu gehört natürlich auch die Auswahl der richtigen zukünftigen Hundehalter. Ich habe da meine Kriterien und trotzdem gibt es auch selten den Moment, wo es schief geht. Glücklicherweise musste noch nie ein Welpe darunter leiden. Vermutlich, weil sie eben auch einen grossen finanziellen Wert darstellen und so die nicht passenden Familien sich eher trennen.
Warum klappt es nicht? Diese Gedanken verfolgen mich momentan enorm. Sind es die Erwartungen, Zeit, Geduld, Können, Willen?
Gehen wir mal an die verschiedenen Möglichkeiten:

• Erwartungen: Meine Erwartungen an zukünftige Hundebesitzer sind, dass sie mit Geduld und Liebe ihrem kleinen Welpen die Welt zeigen. Immer in dem Masse, dass es der Welpe ohne Stress verarbeiten kann. Dies ist nicht einfach, die Erwartung von mir sehr gross. Man soll dem kleinen Welpen in der so wichtigen Prägungszeit viel zeigen, trotzdem soll er erst einmal in seinem neuen Zuhause ankommen und seine Zweibeiner als verlässliche Führungspersönlichkeiten kennenlernen.

Ich denke, dass ich mit den zukünftigen Welpenbesitzern vermehrt über ihre Erwartungen sprechen sollte. Meine Erwartungen an die zukünftigen Welpenbesitzer sind, neben dem doch ziemlich hohen Kaufpreis, sehr hoch. Ich habe den Anspruch, dass sie meine Arbeit, die ich im Vorfeld über Jahre geleistet habe, honorieren und weiterführen. Der Umgang mit dem Hund lernen, sich bilden und zusammen mit dem Welpen «wachsen». Ich erwarte keine ausgebildeten Kynologen für meine Welpen, aber ich habe den Anspruch an die Leute, dass sie sich voll einlassen und ihr Möglichstes tun, um meine Erwartungen zu erfüllen.

• Zeit: Ich möchte keine Welpen an Menschen abgeben, die sich anfangs keine Zeit nehmen können. Sei es, weil vielleicht kleine Kinder auch Erwartungen an die Eltern haben, man arbeitet oder man hat das Gefühl, dass ein Welpe nebenherläuft. Das erste Jahr mit einem Hund ist das wichtigste Jahr. Er muss ankommen, sich wohl fühlen können, sauber werden, Leine laufen, Frusttoleranz lernen, Kinder, Erwachsene, Verkehr, Familie, Ferien, Schule, Arbeit, Eindrücke ohne Ende… er hat so viel zu lernen und dafür braucht er Zeit. Wir denken gar nicht darüber nach, was das alles, vor allem die olfaktorischen und akkustischen Eindrücke, für unseren Welpen bedeuten. Um ihn optimal auf ein Leben in unserer Welt vorzubereiten, braucht es viel Zeit. Haben wir sie nicht, dann sollten wir uns keinen Welpen zu tun.

• Geduld: Der Welpe kommt blind und taub zur Welt. Erst nach 14 Tagen öffnen sich die Augen, nach 21 Tagen fängt er an die Welt wahrzunehmen, die zu diesem Zeitpunkt aus Mama und Züchter und Wurfbox besteht. Vielleicht mit 5 Wochen gibt es die ersten Ausflüge nach draussen. 4 Wochen später ist schon die Trennung von den Wurfgeschwistern und Mama und die grosse Reise ins neue Zuhause. Wieviel kann so ein kleines Welpchen in dieser Zeit gelernt haben. Vielleicht war er schon im Auto unterwegs, hat verschiedene Menschen als nett kennen gelernt, er war beim Tierarzt, wurde gebadet, geschoren und gebürstet. Lernte Lärmquellen kennen, wackligen Untergrund und Tunnel. Er hat einen Tages und Nacht Rhythmus kennen gelernt. Plötzlich gab es keine Milch mehr, sondern trockene Kroketten zum fressen. Es wurde ihm ein Halsband/Geschirr angezogen und plötzlich konnte man nicht mehr einfach losrennen, weil eben eine Leine ihn davon abhält. Das Welpchen soll kommen, wenn man ihn ruft. Dann soll er noch warten bis er raus kommt zum pinkeln oder koten. Ein kleiner Welpe muss so viel lernen, aber es geht einfach nicht alles an einem Tag. Nach und nach wird eine Baustelle geschlossen und es tut sich die Nächste auf. All das, was er lernen soll und können muss, muss er sich erarbeiten, denn leider Gottes gibt es noch kein «Deutsch für Neugeborene Welpen, wie versteh ich meinen Menschen», nein, es sind Erfahrungswerte von dem Welpen und dem Besitzer und das braucht Zeit und Geduld. Es macht Spass, aber nur, wenn man sich die Zeit nehmen kann und darf.

• Willen: Ein Hund funktioniert nach biologischen Mustern und geht nur seinen Instinkten nach, die ergänzt werden mit Erfahrungen. So ist es am neuen Besitzer den Willen zu zeigen das Welpchen 4 x am Tag zu füttern, ihn zum pinkeln raus zu tragen, vielleicht sogar alle 2 Stunden raus zu gehen und dazwischen einfach zuzuschauen, wie der Welpe schläft. Wacht er auf, geht man wieder sofort nach Draussen. Irgendwie werden sie trotz Nixtun gestresst sein. Schlaf ist eines der wichtigsten Dinge in der Erziehung eines Welpen und wenn er den Schlaf nicht bekommt, dann zieht das einen Rattenschwanz hinterher. Nach dem Schlaf wieder raus mit ihm, nachts ev., wenn man Glück hat, einmal aufstehen und zum pinkeln rausgehen, vielleicht sogar mehr wie einmal. Trotz all diesem auch noch für die Prägung dem Welpen neues zeigen. Ist der neue Besitzer nicht gewillt, dies alles einzugehen, dann sollte er die Finger von einem Welpen lassen. Sie müssen den Hund erziehen, damit er in unserer Umwelt ein verlässlicher und gern gesehener Vierbeiner wird. Sie müssen lernen, wie Hunde funktionieren und wie sie diese Funktionen für ihre Zwecke nutzen können. Dies alles kostet Zeit und Geld und viel Geduld. Sind sie gewillt dies alles zu bringen?
Sollten sie einen Welpen zu sich nehmen wollen, dann überlegen sie es sich gut. Mit kleinen Kindern im Haushalt kann es schwierig werden, denn Kinder können die oben genannten Auflagen keinesfalls übernehmen, es liegt an ihnen. Seien sie sich und ihrer Familie zuliebe kritisch und denken sie nach, bevor sie sich einen Welpen nach Hause holen.
Kein Welpe ist nach 14 Tagen bereit, sauber, kann alleine bleiben, weil ev. die Arbeit anfängt und auch ein Hin- und Herschieben des Welpen (Hütedienst) macht es im schwerer, weil er dann schon von Anfang an sich mit mehreren Bezugspersonen und Höhlen auseinandersetzen muss. Dies ist für einen Welpen zu schwierig. Sollten sie den Hund mitnehmen dürfen zur Arbeit, dann machen sie das von Anfang an, ritualisiert, damit es für den Welpen in seine neue Welt gehört. Sollten sie das Gefühl haben, dass sie sich einen Welpen holen und ihn dann alleine zu Hause lassen wollen, dann bitte ich sie, dass sie das nicht tun und vor allem nicht mit einem meiner Welpen!
Alter und Welpe, auch darüber mache ich mir oft Gedanken, denn logischerweise sind viele Pensionierte interessiert, ihren letzten Abschnitt gemeinsam mit einem Hund zu erleben. Es ist keine Alterssache, ob man einen Welpen zu sich holen soll (sterben müssen wir alle, früher oder später). Man muss aber geistig voll flexibel und körperlich fit sein, denn man muss sich bücken, den Hund aufheben, Gaggi aufheben, anleinen, putzen, füttern usw. Seien sie bitte ehrlich mit sich selbst, ob sie auch gewillt sind auf den Schlaf nachts zu verzichten. Sind sie auch bereit zu akzeptieren, dass unsere sehr autoritären Ansichten in der Hundeerziehung nichts zu suchen haben? Kein Hund soll im Nacken geschüttelt werden oder gar auf den Rücken gedreht. Liebe und positive Verstärkung soll die Wahl der Mittel sein. Unterbruch ja, auch mal streng, immer konsequent, aber immer liebevoll. Wenn ja, dann steht einem Welpen nichts im Wege.
Das Schlimmste ist es, den Hund zu vermenschlichen. Das heisst, dass man Erwartungen und Ansprüche stellt, die ein Tier gar nicht erfüllen kann.
Wir haben ein Bild im Kopf, wie unser Hund funktionieren soll, aber meist ist das nicht das Bild, welches unsere Hunde im Kopf haben. Unsere Hunde können unsere Gedanken nicht lesen, auch wenn wir das immer wieder meinen.
Hören wir auf zu vermenschlichen, dann ist der erste grosse Schritt getan, dass wir anfangen unserem Hund zu zeigen, wie wir uns ihn in unserer menschlichen Welt vorstellen.